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Gespräch N° 23 | Kapital

Richard Lugner

„Für mich zählt nur der Erfolg, sonst nichts“

Der als Bauunternehmer bekanntgewordene Wiener gilt mittlerweile als Promi-Legende. Was ihn von Didi Mateschitz unterscheidet, wie er eine Moschee um 90 Grad drehte und was einen Unternehmer auszeichnet, verrät „Mörtel“ im Gespräch mit Muamer Bećirović.
Dieses Gespräch führte Muamer Bećirović und erschien am 2. September 2016, fotografiert hat Jeff Mangione.
Muamer Bećirović
Nüchtern betrachtet, haben Sie in Ihrem Leben unglaublich viel erreicht. Ich bin sogar geneigt zu sagen, dass Sie sich ein ganzes „Imperium“ aufgebaut haben. Trotz allem werden Sie in der Öffentlichkeit…
Richard Lugner
 … ein bisschen schräg wahrgenommen.
Muamer Bećirović
Warum ist dem so? Wie erklären Sie sich das?
Richard Lugner
Betrachten wir einmal „Wir sind Kaiser“ (Anm., Satiresendung, ORF): Ich spiele dort eine Rolle, die ich in Wahrheit gar nicht bin. Ich spiele einen vorgegebenen Charakter. Während ein „gewöhnlicher“ Schauspieler für seine Rolle als Kasperl gelobt wird, wenn er sie gut spielt, glauben alle bei mir gleich, dass die Rolle ein Spiegelbild meiner Selbst ist. Mit der Zeit habe ich mich damit abgefunden und begonnen diese öffentliche Meinung zu bedienen.
Muamer Bećirović
Können Sie mir erklären, was die Öffentlichkeit und die Medien ständig dazu bewegt, Sie durch den Kakao zu ziehen?
Richard Lugner
Das hat sich einfach so ergeben. Man darf dennoch nicht außer Acht lassen, dass ich von Menschen auch anerkannt werde. So einseitig ist das bei Weitem nicht. Nehmen wir den heurigen Bundespräsidentschaftswahlkampf her: Viele Themen, die im weiteren Verlauf diskutiert wurden, habe ich auf den Plan gebracht. Bevor ich offiziell in den Wahlkampf gestartet bin, habe ich im Gespräch mit Armin Wolf in der ZIB 2 (Anm., am 29. März 2016; Nachrichtensendung, ORF) ins Treffen geführt, dass der Bundespräsident den Nationalrat gemäß Artikel 29 Bundes-Verfassung entlassen könne. Dass ich damals nur die halbe Wahrheit gesagt habe, stimmt, denn der Artikel 67 schränkt diese Befugnis insofern ein, indem die Entlassung nur auf Vorschlag der Bundesregierung erfolgen kann.
Muamer Bećirović
Haben Sie Verständnis für die Medien, die Sie zu einer „Lachfigur“ machen?
Richard Lugner
Ich wurde im Bundespräsidentschaftswahlkampf relativ stark veralbert. Das ist richtig. Das war auch ungerecht. Es scheint, dass es nicht anders geht. Und wie bereits erwähnt, bediene ich dieses Bild gerne und habe zum Beispiel meine Ankündigung zur Kandidatur humorvoll in einem YouTube-Video verpackt. Schlussendlich habe ich damit fast 700.000 Zuschauer erreicht. Das hat keiner der Gegenkandidaten auch nur annähernd geschafft.
Muamer Bećirović
Ich würde jetzt gerne einen Vergleich zwischen Ihnen und Herrn Mateschitz (Anm,. Dietrich; Mitgründer des Red Bull-Konzerns) ziehen …
Richard Lugner
Er ist ein sehr zurückgezogener Mensch.
Muamer Bećirović
Genau. Sie sind es aber nicht. Wieso?
Richard Lugner
Ich bin seit jeher ein Mann der Öffentlichkeit. Mateschitz ist ein toller Bursche, macht tolle Dinge und hat sich einen tollen Wirtschaftsapparat aufgebaut. Ich war zum Beispiel in Kenia in einer Tankstelle und das erste, das ich dort sah, war „Red Bull“. Mateschitz‘ Werk findet man mittlerweile fast überall auf der Welt – einfach nicht zu übersehen. Er hat Organisationen, die seine Produkte hervorragend präsentieren. Ich glaube, dass selbst Coca-Cola in dieser Hinsicht Mateschitz nicht das Wasser reichen kann. Ein Grund für diesen Erfolg ist mitunter auch seine Werbestrategie. Er ist überall: Formel 1, im Fußball, im Extremsport und so weiter.
Richard Lugner

© Jeff Mangione

Muamer Bećirović
Was unterscheidet Sie von Herrn Mateschitz?
Richard Lugner
Verglichen mit Mateschitz, bin ich finanziell ein Niemand.
Muamer Bećirović
Und was unterscheidet Sie in der öffentlichen Wahrnehmung?
Richard Lugner
Da bin ich selbstverständlich „größer“, keine Frage.
Muamer Bećirović
Inwiefern?
Richard Lugner
Weil sich mein Leben mehr in der Öffentlichkeit abspielt. Mein Eintritt in die Wahrnehmung der Leute war damals mit der Errichtung einer Moschee (Anm., heutiges „Islamische Zentrum Wien in Wien-Floridsdorf). Und ich habe es damals verstanden, mich öffentlich zu präsentieren. Es war ein – für die damaligen Verhältnisse in Österreich – ungewöhnliches Bauwerk. Die heutigen Anti-Islambewegungen gab es damals noch nicht. Es wurden viele Berichte und Artikel über diesen Bau geschrieben. Das war mein erster Schritt, um bekannt zu werden. Ich habe dann in weiterer Folge weitere interessante Bauten gemacht. Diese haben meinen Bekanntheitsgrad steigen lassen. Wohnhausbauten habe ich zum Beispiel nie gebaut. Sowas war für mich nicht interessant. Nur die interessanten Dinge habe ich gebaut.
Muamer Bećirović
Sind Sie stolz auf die Moschee, die Sie gebaut haben?
Richard Lugner
Ja, absolut. Ich muss dennoch sagen, dass sie eine schwierige Geschichte war. Alles begann irgendwann an einem Novembersamstag (Anm., die Moschee wurde von 1975 bis 1979 gebaut). An dem Tag war das Wetter schlecht, ich hatte einen großen Stapel an Dingen zu erledigen und zu allem Überfluss hatte ich nicht wirklich viel Lust irgendetwas zu tun. Plötzlich erhielt ich einen Anruf einer Bekannten, die mir sagte, dass die saudi-arabische Botschaft mit mir über einen Moscheebau reden wolle. Drei Stunden habe ich zunächst mit dem Lebensgefährten der Bekannten, der damals in der Botschaft gearbeitet hatte, darüber geredet. Mir wurden Pläne von einem relativ bekannten Architekten vorgelegt, die lustigerweise fehlerhaft waren. So war die Moschee im ursprünglichen Plan um 90 Grad falsch gedreht. Zu meinem Glück war ich kurz zuvor in Istanbul und hatte dort unter anderem eine Moschee besichtigt. Seitdem weiß ich, dass jede Moschee nach Mekka ausgerichtet sein muss. Ich fand das sehr interessant und habe mich dementsprechend sehr intensiv damit auseinandergesetzt.
Muamer Bećirović
Haben Sie eingewilligt die Moschee zu bauen?
Richard Lugner
Anfangs wollte ich nicht. Erst nach dem dreistündigen Gespräch war ich davon überzeugt. Am darauffolgenden Montag lud mich der Botschafter zum Mittagessen ein. Am Ende war er dann der Überzeugung, dass ich der richtige Mann für den Bau sei. Also habe ich mir Gedanken zur Umsetzung gemacht und den ursprünglichen Plan verworfen, da er zu teuer war. Daraufhin fragte mich der Botschafter, ob ich ihm einen besseren Vorschlag mache könne. Schlussendlich habe ich mir ein Modell aus einer Islamausstellung zum Vorbild genommen. Der Botschafter schlug dann dem König vor, dass ich den Bau durchführen solle. Da ich im Vergleich zu den anderen Bewerbern der billigste war, entschied sich der König für mich. Und das, obwohl ein anderer ein paar Tage zuvor zum Islam konvertierte, um die Moschee zu bauen. Nichtsdestotrotz fiel am Ende die Entscheidung auf mich. Der König hat diese damit begründet, dass er lieber einen Baumeister habe, der zu seinem Glauben stünde, als einen, der wegen eines Bauauftrages glaube, konvertieren zu müssen. Tatsächlich darf nur jemand eine Moschee bauen, der einer Religion angehörig ist, die ein Buch hat und monotheistisch ist. Das trifft auf das Judentum, Christentum und den Islam gleichermaßen zu. Diese drei Religionen sind ja auch miteinander verwandt. (Lugner unterbricht kurz) Alles in allem war die Moschee sicherlich einer meiner größten Karrieresprünge. Das Interessante ist ja, dass es diese Probleme von heute, damals nicht gab: Ich finde, dass es seine Berechtigung hat, wenn in der Früh zum Sonnenaufgang zum Gebet gerufen wird. Ob das jetzt Glocken oder der Muezzin ist, ist mir wurscht. Die Nachbarn haben damals neugierig gefragt, aber Widerstand gab es keinen. Selbst der damalige Stadtrat Nittel (Anm., Heinz; SPÖ; 1930 – 1981) hat sehr viel zu diesem Bau beigetragen – und das in seiner damaligen Funktion als Präsident der „Österreichisch-Israelischen Gesellschaft“. Leider wurde er während dem Bau von einem Terroristen erschossen. Ich glaube, dass meine Stärke darin gelegen ist, interessante Baustellen zu haben. Mit diesen habe ich dann Öffentlichkeitsarbeit gemacht – nicht nur für die Bauten selbst, sondern auch …
Muamer Bećirović
… für Sie.
Richard Lugner
… für den Islam zum Beispiel – sofern dies irgendwie möglich war. Anlässlich des Moscheebaus kamen viele hochrangige Persönlichkeiten aus der muslimischen Welt. Wenn dann einer von denen in Wien zu Besuch war und nicht wusste, in welche Richtung er beten müsse, bin ich zu ihm ins Hotel gefahren und habe gezeigt, wo Mekka liegt.
Muamer Bećirović
Haben Sie heute Verständnis dafür, wenn die Leute Sie eher belächeln anstatt Sie ernst zu nehmen?
Richard Lugner
Ich war ja ein erfolgreicher Baumeister. Es ging mir immer darum öffentlichkeitswirksame Bauten zu machen. Die waren die einzig interessanten für mich.
Muamer Bećirović
Stehen Sie gerne auf der Bühne?
Richard Lugner
Das war mein Erfolgsrezept. Ich habe Sachen gebaut, die mich interessiert haben. Mir ging es primär nicht darum Geld zu verdienen. Mir war der Spaß an der Arbeit viel wichtiger. Für mich zählt nur der Erfolg, sonst nichts.
Muamer Bećirović
Sie hätten doch auch genauso gut sagen können, dass Sie sich – nachdem Sie die ganzen Bauten fertig hatten – aus der Öffentlichkeit zurückziehen.
Richard Lugner
Ich habe immer nur das gebaut, das mich interessiert hat. Ich wollte das machen, was mir Spaß macht. Geld war mir vollkommen wurscht. Ich habe sogar Verluste bei einigen Aufträgen in Kauf genommen, nur weil ich sie unbedingt haben wollte. Meine Mitarbeiter wussten, was ich wollte und was nicht. Ich war zum Beispiel Marktführer in der Wiener Innenstadt im Bereich Bauten. Ich war Marktführer im Tankstellenbau. Ich war eine große Nummer bei den Renovierungen. Die Linie, die ich gefahren bin, war sehr persönlich. Meine Söhne hingegen haben eher versucht größere, gewinnbringendere Aufträge an Land zu ziehen. Ich war mit 15 Baustellen und insgesamt 700.000 Euro Gewinn glücklicher als mit einer einzigen für 10 Millionen. Nichtsdestotrotz war ich finanziell erfolgreich. Ich hatte einen großen Namen. Die Leute wussten, dass ich meine Termine und Preise immer einhielt. Ich habe ein solides Unternehmen geführt, dem die Leute vertraut haben. Obwohl ich teurer war als meine Mitbewerber, hatte man sich oftmals für mich entschieden, weil man wusste, was man bei mir zu dem Preis erhielt. Im Gegensatz zu den anderen Baufirmen, haben meine Bauarbeiter Qualität abgeliefert. Das waren meine Leute. Die sind hinter mir gestanden. Jedes Jahr bin ich mit ihnen irgendwo in den Urlaub gefahren – ob nach Istanbul, Tunesien oder Moskau, egal. Meine Leute und ich – wir waren eine eingeschworene Truppe. Und wenn eine Baustelle einmal länger brauchte, dann wurde eben bis spät in die Nacht gearbeitet. Es hat ihnen nichts ausgemacht. Einmal war ich an einem Samstag verhindert, sodass meine Bauarbeiter nicht arbeiten konnten. Sie haben dann gemeinsam beschlossen am Sonntag die Arbeiten zu erledigen. Ich bin dann bestraft worden, weil die am Sonntag gearbeitet haben. Und wie allen bekannt ist, ist das Arbeiten am Sonntag nach wie vor verboten.
Muamer Bećirović
Wie viele Strafen sind bis heute angefallen?
Richard Lugner
Keine Ahnung. Aber die Geschichte mit den Sonntagsarbeiten ist nicht im Handel geschehen. Ich hatte damals den Auftrag in einem Haus das Stiegenhaus zu errichten und habe bei der Behörde angesucht am Sonntag arbeiten zu dürfen. Eine Antwort habe ich nie bekommen. Stattdessen ist an dem Sonntag einer gekommen, hat die Arbeiter gesehen und mir eine Strafe auferlegt.
Muamer Bećirović
Ich habe unlängst meine Freunde gefragt, was sie tun würden, wenn sie Multimillionäre wären – wenn ihnen zum Beispiel die „Lugner City“ (Anm., Lugners eigenes Einkaufszentrum in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus) gehörte. Alle haben einstimmig geantwortet, dass sie ihr Leben genießen und die Öffentlichkeit meiden würden.
Richard Lugner
Das ist nicht mein Leben. Ich glaube auch nicht, dass das, das Leben vom Mateschitz ist. Ich bin der Überzeugung, dass er auch jemand ist, der gerne arbeitet. Ich für meinen Teil arbeite gerne. Manchmal kann es aber auch mir zu viel werden. Dann jammert meine Frau eh immer. Um meine 60-Stunden-Woche zu schaffen, kriegt mich ohnehin niemand vor halb Acht aus dem Büro. Mir macht es Spaß etwas zu machen. Der Erfolg spornt mich an. Ich habe schon damals die Herausforderung gesucht. In der Wiener Innenstadt zu bauen, war zum Beispiel schwierig. Sie können sich vorstellen, wie umständlich es werden kann, Kräne und dergleichen dorthin zu bringen. Da sind immer viele Sachen zu beachten. Und DAS haben wir beherrscht. Das war unsere Stärke.
Muamer Bećirović
Kommen wir auf Ihre Person zurück: Was ist das Wichtigste, das Sie im Umgang mit den Medien gelernt haben?
Richard Lugner
Den Umgang mit den Medien habe ich während des Moscheebaus gelernt. Gar keine Frage.
Muamer Bećirović
Aber auf was müssen Sie immer ganz besonders Acht geben, wenn Sie mit den Medien zu tun haben?
Richard Lugner
Wenn die Baustellen interessant waren, bin ich damit zu den Medien gegangen. So hatte ich einen Zugang zur öffentlichen Wahrnehmung und verschaffte meiner Baufirma Aufmerksamkeit. Wichtig war jedoch, dass immer gute Qualität abgeliefert werden musste. Doch dass man manchmal bei einem Bauauftrag draufzahlen musste, ließ sich nicht ganz vermeiden. Mit dem Bau der „Lugner City“ wurde ich dieses finanzielle Risiko los. Zahlt heute jemand seine Miete nicht, dann schmeiß ich ihn eben raus. Von interessanten Bauprojekten kann ich heute natürlich nicht mehr sprechen. Stattdessen kann ich mich zum Beispiel mit der Debatte rund um die Sonntagsöffnung in die Medien einbringen. Und das kommt an. So wie es in der Baubranche derartige Nischen gab, gibt es solche auch im Handel. Als 1990 die „Lugner City“ eröffnet wurde, durfte man samstags beispielsweise nur einmal im Monat bis 17 Uhr offen haben. Ich ließ die „Lugner City“ dann einmal probeweise an einem zweiten Samstag im Monat offen. Allein schon vom Umsatz her, war diese Entscheidung ein großer Erfolg.
Richard Lugner

© Jeff Mangione

Muamer Bećirović
Ihnen geht es doch ums Geld, oder nicht?
Richard Lugner
Es geht mir um den Erfolg. Das ist etwas ganz anderes.
Muamer Bećirović
Was bedeutet Erfolg für Sie? Ist es für Sie ein Erfolg, wenn die Leute sagen, dass der Lugner etwas mache?
Richard Lugner
Wenn meine Mieter hohe Umsätze erwirtschaften, dann muss sich das bei mir nicht unbedingt in Form von Geld niederschlagen. Mir ist das aber auch wurscht. Ich verdiene so viel, dass ich mir den Luxus leisten kann, das zu machen, was mir Spaß macht. Freilich muss ich als Geschäftsmann Dinge auch ordentlich machen. Die „Lugner City“ ist für mich ein großer Erfolg. Dass es 1996 endlich erlaubt war, jeden Samstag zu öffnen, war ein riesiger Erfolg.
Muamer Bećirović
Was brachte Sie dazu, Bauunternehmer zu werden?
Richard Lugner
Damals in der fünften Klasse Mittelschule habe ich ein Plakat der „Bundesgewerbeschule Maschinenbau, Elektrotechnik, Hochbau, Tiefbau“ (Anm., heutige HTL Ottakring) gesehen und am Abend gleich meine Mutter gefragt, ob sie sich darüber erkundigen könne. Am nächsten Tag bin ich von der Schule nach Hause gekommen und meine Mutter hat mir nichts erzählt. Ich musste sie also fragen, ob sie wisse, was das für eine Schule sei. Da hat sie mir plötzlich geantwortet: „Na freilich! Ich war dort. Ich hab‘ dich schon in Hochbau einschreiben lassen.“ Ich war verwundert. Da hat sie nochmals wiederholt: „Hochbau!“ Ich muss gestehen, dass ich zunächst unglücklich darüber war, weil ich damals dachte, dass ich mit Maschinenbau oder Elektrotechnik eher eine Zukunft habe. Auf meine Frage hin, warum sie sich ausgerechnet für Hochbau entschieden hatte, hat sie mir mit unserem Nachbarn entgegnet, der immer die Bauarbeiten in den 26 Häusern, die mein Vater damals verwaltete, gemacht hatte. Wir waren mit seiner Familie gut befreundet. Sie haben mir dann auch meinen ersten Job in einer Baufirma beschafft.
Muamer Bećirović
Sie haben also dort gelernt …
Richard Lugner
Ich habe eine fünfjährige Fachausbildung in der HTL gemacht. Und da zum Beispiel Mathematik eher meine Stärke war, fühlte ich mich ganz wohl in der HTL. Letztlich muss ich zugestehen, dass sich meine Mutter – auch wenn sie mich vorher nicht einmal fragte – richtig entschieden hat. Ohne ihre eigenhändige Entscheidung wäre ich nicht der Lugner, der ich heute bin.
Muamer Bećirović
Beschäftigen Sie sich heute mit Ihrem Alter?
Richard Lugner
Ich beschäftige mich weder mit meinem Alter noch mit meiner „Zukunft“. Ich bin an und für sich sehr gesund. Mir geht’s gut. Ich habe keinerlei gröbere Probleme oder Beschwerden. Einmal im Jahr mache ich die Franz-Xaver-Mayr-Kur (Anm. naturheilkundliches Kurverfahren), bei der man nichts isst, nur trinkt. Es gibt natürlich Leute, die sagen werden, dass man mit 83 Jahren nicht aufs Essen verzichten sollte. Doch etwas Gutes hat sie: Die Organe müssen währenddessen nichts tun. Egal was wir zu uns nehmen, die Leber und die Nieren müssen sich dann damit beschäftigen. Alles was überschüssig ist, wird dann in der Niere, der Leber und den Gelenken abgelagert. Einmal erzählte mir eine Dame, dass sie, seitdem sie mit der Mayr-Kur angefangen hatte, den Rollstuhl nicht mehr brauche; dass die Kur ihre Knie entschlackt hätte. Mit dieser Kur bekommt man das ganze Gift aus dem Körper. Selbstverständlich muss man daran auch glauben. Kritiker sagen, dass diese Kur unter anderem einen Vitaminmangel provoziere. Ich kann für meinen Teil sagen, dass ich an diese Kur glaube. Mittlerweile mache ich sie seit rund 27 Jahren.
Muamer Bećirović
Denken Sie hin und wieder an den Tod?
Richard Lugner
Gar nicht.
Muamer Bećirović
Wirklich nicht?
Richard Lugner
Nein.
Muamer Bećirović
Sind Sie ein spiritueller Mensch?
Richard Lugner
Nein, das interessiert mich wirklich nicht. Und ich will mit Ihnen auch nicht drüber reden. Ich bin ein Mensch, der nur positiv denkt. Das war’s.
Muamer Bećirović
Gibt es denn nichts, an das Sie glauben?
Richard Lugner
Ja, ich glaube. Ich bin zum Beispiel Katholik. Aber jede Religion hat etwas Eigenes. Es ist schwer zu sagen, weil die Lehren der Religionen schwer nachweisbar sind. Die Welt ist ein Wunder. Es gibt vieles, das unsere Vorstellungskraft übersteigt. Ich habe zum Beispiel einen Schulkollegen gehabt, der Mathematik studierte. Er hat mir erzählt, dass man Fotos von der Vergangenheit machen könne. Es reicht die Sterne am Nachthimmel zu betrachten. Was Sie dort sehen, ist nichts als ein Abbild der Sterne vor vielen Jahren in der Vergangenheit.
Jeff Mangione (Fotograf)
 Sie schauen jetzt aber nicht in die Vergangenheit, oder?
Richard Lugner
Grundsätzlich bin ich ein positiver Mensch. Ich hasse Streitereien, auch wenn sie im Privatleben vorkommen. Mein Credo: Es zählt nur der Erfolg. Wie Sie bereits wissen, habe ich in meinem Leben nie versucht viel zu verdienen. Ich habe nur das gebaut, was ich wollte, was mir Spaß machte. Nach der Moschee habe ich den jüdischen Tempel gebaut, weil das durchaus Gegensätze sind. Ich habe auch eine griechisch-orientalische Kirche errichtet, die in mir sehr viel Interesse geweckt hat. Ich habe wunderschöne Kassensäle für Banken, das Kaufhaus Steffl (Anm., Einkaufszentrum in der Kärntner Straße, Wien-Innere Stadt) und den Meinl am Graben (Anm., Restaurant, Wien-Innere Stadt) gebaut. Das alles hat mir Spaß gemacht.
Muamer Bećirović
Können Sie mir nochmals erklären, was für Sie „Erfolg“ ist? Ich habe das vorhin nicht so recht verstanden.
Richard Lugner
Erfolg ist das, was mir Spaß macht. Ich muss aber sagen, dass es mit Spaß allein auch nicht immer geht. In der „Lugner City“ gab es früher den „Cosmos“ (Anm., Elektrohandelskette), der 2008 Pleite gegangen ist. Heute befindet sich an dessen Stelle eine „Media Markt“-Filiale. Pro Quadratmeter bekomme von „Media Markt“ weniger Miete als damals vom „Cosmos“. Das ist an und für sich halb so schlimm, denn für mich gehört ein Elektronikgeschäft einfach zu einem Einkaufszentrum dazu, ebenso wie ein Supermarkt, „H&M“, „C&A“, „Zara“ und wie die sonst noch alle heißen. Bei mir gibt es – sofern eben möglich – keine leerstehenden Flächen.

Damals – zu meiner Zeit als Baumeister – hatte ich keine Ahnung von alldem. Ich hatte damals eine großartige Hausverwalterin, die Frau Wilder. Sie wusste, welche Geschäfte, welche Marken ein konkurrenzfähiges Einkaufszentrum brauchte. Ich habe damals nicht einmal den Unterschied zwischen „DM“, „BIPA“ und „Schlecker“ gekannt. Von den ganzen Kleiderhäusern will ich gar nicht reden. Sie hingegen hat einen Biss gehabt. Sie war positiv und hat gerne gearbeitet. Alles hat sie gemacht. Während ich mit einem Kunden den Preis ausverhandelte, hatte sie den Mietvertrag bereits innerhalb von 15 Minuten fertig zum Unterschreiben. Heute brauchen wir dazu einen halben Tag. So eine wie sie habe ich nie wieder gehabt. Und wie habe ich die Frau Wilder kennengelernt? An einem Freitagnachmittag, in der Nähe von meinem Büro, habe ich eine verschwitzte, irrsinnig engagierte Frau gesehen – nicht älter als 35 Jahre, die in dem Moment Stellagen zerlegte. Ich habe sie gefragt, was sie am Montag mache. Sie hat geantwortet, dass sie erst ihr Geschäft verkauft habe und nicht wisse, was sie tun werde. Da habe ich ihr angeboten meine Hausverwalterin zu werden. Dass sie keine Erfahrungen in diesem Bereich hatte, hat – wie Sie bereits wissen – keineswegs geschadet.

Jeff Mangione (Fotograf)
Was macht einen Unternehmer aus?
Richard Lugner
Frau Wilder.
Jeff Mangione (Fotograf)
Glauben Sie, dass man lernen kann ein guter Unternehmer zu sein? Oder hat man den Unternehmergeist einfach?
Richard Lugner
Man muss es in sich haben. Man muss es wollen. Schauen Sie: Mein Vater war Rechtsanwalt. Er hat schon immer gewollt, dass ich Unternehmer werde. Auch wenn ich ihn das letzte Mal mit zehn Jahren gesehen habe, hat er mir einiges mitgegeben. Mit meinen Söhnen hatte ich das Problem, dass ich der Manager und sie reine, ausgebildete Techniker waren. Als ich mich damals zur Bundespräsidentschaftswahl 1998 gänzlich aus der Firma zurückgezogen hatte, habe ich es verabsäumt ihnen das notwendige kaufmännische Rüstzeug mitzugeben. Die Folge war, dass ich die Baufirma zumachen musste. Aber grundsätzlich sind die beiden schon Unternehmertypen.
Muamer Bećirović
Bereuen Sie Ihren Söhnen die Baufirma überlassen zu haben?
Richard Lugner
Die beiden konnten nicht wirklich miteinander. Der eine ist bei mir, der andere bei der Mutter aufgewachsen. Ich versuche es gerade mit meiner Tochter. Sie soll eines Tages Kinochefin in der „Lugner City“ werden. Wenn sie die Sache gut gemacht, habe ich ihr versprochen, dass sie das Kino kriege. Ich gebe ihr die Chance. Nichtsdestotrotz muss auch sie ins kalte Wasser springen.
Jeff Mangione (Fotograf)
Wird es Unterstützung vom Papa geben?
Richard Lugner
Freilich werde ich sie unterstützen. Auch dass ich mich um sie kümmere, ist selbstverständlich. Es ist beileibe kein leichter Job.
Muamer Bećirović
Überlegen Sie bereits Ihren Kindern eines Tages das Unternehmen zu überlassen?
Richard Lugner
Nein. Ich führe meine Tochter aber schon seit ihrer Kindheit langsam heran. Ich unterstütze, wo ich nur kann. Seitdem sie fünf Jahre alt war, sind wir zehn Jahre lang, jeden Samstag, gemeinsam in die „Lugner City“ gefahren. Sie war überall dabei. Ich habe ihr alles Mögliche gezeigt. Es wird sich zeigen, ob sie das Kind eines Unternehmers ist. Ich glaube aber nicht, dass meine Kinder mit zehn bewusst von den Geschäftsabläufen etwas mitbekommen haben. Ich kann mich zum Beispiel rückblickend an viele Gespräche mit meinem Vater erinnern. Als Anwalt hat ihm einer seiner Mandanten einmal ein Kilo Fleisch mit nach Hause gegeben. Grundsätzlich war das damals gar nicht erlaubt – immerhin war das ja Schwarzhandel. Fleisch war zu jener Zeit Volksvermögen. Man durfte nur so viel Fleisch haben, wie es einem die Bezugsscheine erlaubten. Das war bis zum Staatsvertrag 1955 so. Aber ich glaube, dass sie das nicht wissen.
Muamer Bećirović
Ja, dafür bin ich viel zu jung.
Richard Lugner
Schauen Sie: Für jeden Tag hatte man für jedes bestimmte Lebensmittel einen dazugehörigen Bezugsschein. So gab es zum Beispiel Bezugscheine für ein halbes Kilo Brot wöchentlich oder täglich zwei Semmeln. Das hat man dann auch bekommen.
Jeff Mangione (Fotograf)
Der Rest war Schwarzmarkt.
Richard Lugner
Damals im Krieg hat man noch Tauschhandel mit den Bauern betrieben. Im Austausch gegen Schmuck und Kleidung hat man Lebensmittel bekommen. In Wien gab es am Resselpark – vor der Technischen Universität – einen Schwarzmarkt, in dem man alles Mögliche kaufen konnte – zu einem gewissen Preis versteht sich. Wir haben nicht viel Geld gehabt, aber notleiden mussten wir nie. Was mir aber nicht gefallen hatte, war das angeberische Getue eines Schulkameraden, dessen Eltern eine Baufirma hatten. Er hat ständig gemeint, dass er – nur weil er mehr hatte – etwas Besseres war als ich.
Jeff Mangione (Fotograf)
Aber Sie haben gewusst, dass man Baumeister werden müsse. Immerhin war da ja die Butter offensichtlicher dicker am Brot.
Richard Lugner
Naja, dass man als Baumeister nicht schlecht verdient, habe ich schon damals gewusst. Vielleicht hat auch ein bisschen Neid gegenüber meinem Schulkameraden mitgespielt.
Muamer Bećirović
Kommen wir zu Ihren Opernballgästen: Wieso haben Sie diese Personen eigentlich eingeladen?
Richard Lugner
Die Entwicklung habe ich damals jedenfalls nicht vorhersehen können. Da ich ja Baumeister war und nicht aus dem Handel kam, sind wir vor dem Bau der „Lugner City“ zu sechst überall hingefahren und haben uns jede Menge Einkaufszentren angeschaut, um Erkenntnisse zu sammeln. Ein halbes Jahr vor der Eröffnung der „Lugner City“ hat mich dann jemand gefragt, welche Werbeagentur ich hätte. Ich hatte keine, also wurde mir eine aus Oberösterreich empfohlen. Die hat mir dann nahegelegt, regelmäßig mit Prominenten zu werben. Da habe ich zu Beginn Thomas Gottschalk (Anm., TV-Unterhalter; *1950) eingeladen, der aber erst eine Woche nach der Eröffnung kommen konnte. Die Seitenblicke-Chefin (Anm., TV-Boulevardmagazin des ORF) hat die Eröffnung nicht interessiert. Sie meinte, dass sie erst berichten werde, wenn der Gottschalk komme. Das wurde dann auch gesendet.
Wir haben auch mit allen möglichen Missen und Vize-Missen in kurzen „Lugner-roten“ Minis geworben. Die haben wir dann „Lugner City-Girls“ genannt.
Die „Lugner City“ war das einzige Einkaufszentrum, in dem man nicht nur einkaufen konnte, sondern in dem auch immer etwas los war. Vor ein paar Jahren haben wir das zurückgefahren, um ein bisschen zu sparen. Jetzt fahren wir das Ganze wieder hoch.
Zu den Opernballgästen kam ich, als mich jemand vom ORF anrief und erzählte mir, dass Tony Curtis (Anm., Schauspieler; 1925–2010) in Budapest und ihm ein Sponsor ausgefallen sei. Man hat mir angeboten, dass er für zwei Tage in die „Lugner City“ käme, wenn ich ihm den Flug zahlte. Ich habe eingewilligt und Tony Curtis kam. Er wollte aber dann nicht wirklich zum Opernball gehen und ist gleich nach der Eröffnung verschwunden.
Muamer Bećirović
Wie sind Sie zu Kim Kardashian (Anm., Reality-TV-Persönlichkeit; *1980) gekommen?
Richard Lugner
Die hat mir ein Bekannter vermittelt, der mir seinerzeit Paris Hilton (Anm., Hotelerbin) als Gast organisierte. Der Security von Kim Kardashian machte Probleme, weil er einen separaten Vertrag mit mir aushandeln wollte. Seitdem lehne ich jeden ab, der eigene Security hat.
Jeff Mangione (Fotograf)
Die machen halt ihre eigenen Extra-Geschäftl.
Richard Lugner
Ja eh. Oder bei Pamela Anderson (Anm., Schauspielerin; *1967): Damals hat mir Wolfgang Fellner (Anm., Publizist, Herausgeber der Boulevardzeitung „Österreich“; *1954) versprochen, dass er mich auf die Titelseite von „TV-Media“ (Anm., Fernsehmagazin) und „News“ (Anm., Wochenmagazin) bringe, wenn er eine große Geschichte mit der Pamela Anderson mache könne. Ihr Management war damit einverstanden, sofern nur ein bestimmter Fotograf die Fotos machen durfte.
Jeff Mangione (Fotograf)
(lacht) Wer war der Fotograf?
Richard Lugner
Der Mann von der Managerin.
Muamer Bećirović & Jeff Mangione (Fotograf)
(lachen)  So ein Zufall.
Richard Lugner
So ist die Welt. Solche Sachen gibt es allerweil wieder.
Muamer Bećirović
Was unterscheidet Sie von Hans Peter Haselsteiner (Anm., Industrieller; *1944)?
Richard Lugner
Haselsteiner ist ein wesentlich reicherer Mensch als ich. Er ist ein ganz anderer Typ. Er hat in eine große Baufirma hineingeheiratet, die er dann zum heutigen STRABAG-Konzern aufgebaut hat. Er hat eigentlich immer wieder Partner finden können, die immer weniger als die Hälfte investiert haben, sodass er stets die Mehrheit hatte. Seine Partnerschaften haben ihm viel Geld eingebracht. Daran konnte er wachsen. Im Gegensatz dazu bin ich jemand, der alleine sein will. Ich will keine Partner.
Richard Lugner

© Jeff Mangione

Muamer Bećirović
Da Sie ja ein Millionär sind: Wissen Sie, was mir bei Millionären auffällt?
Richard Lugner
Ich bin jetzt zurückgefallen im Ranking der 100 reichsten Österreicher. Wobei es mir auch recht wäre, wenn ich rausfliege. Es ist nicht immer gut, wenn man da drinnen steht.
Muamer Bećirović
Wieso?
Richard Lugner
Aufgrund der ganzen Neider.
Muamer Bećirović
Haben Sie die nicht auch so?
Richard Lugner
Ich zweifle daran, dass ich einer der 100 reichsten Österreicher bin. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass es drei gibt, die zwar reicher sind als ich, jedoch nicht drinstehen.
Muamer Bećirović
Denken Sie das?
Richard Lugner
Ich weiß es. Ich kenne Leute, die viel Geld fernab der Öffentlichkeit verdienen. Mit manchen bin ich sogar befreundet.
Muamer Bećirović
Wieso machen Sie das nicht auch so? Wieso verdienen Sie Ihr Geld nicht fernab der Öffentlichkeit? Machen das nicht die meisten?
Richard Lugner
Das ist Teil der Werbestrategie der „Lugner City“. Es braucht regelmäßig Events, um die „Lugner City“ bekannter zu machen. Ein Event muss so stark sein, damit die Medien darüber berichten.
Zu Zeiten meiner Baufirma habe ich nie Geld für Werbung ausgegeben. Nie. Ich habe meine Mitarbeiter bloß angewiesen, dass sämtliche Lastautos hinten rot mit weißem Lugner-Schriftzug lackiert sein müssten. Dadurch bin ich bekannt geworden. Abgesehen davon habe ich nie Werbung gemacht, bin nirgendwo aufgetreten.
Bevor die „Lugner City“ eröffnete, wurde mir im Vorfeld geraten, viel Werbung zu machen. Ich war sehr überrascht über die hohen Werbeausgaben. Damit muss man sich aber wohl abfinden. Bei einem Einkaufszentrum müssen Sie dafür sorgen, dass Kunden zu Ihnen kommen. Ich hatte damals sogar drei Gutachten, die mir bescheinigten, dass die „Lugner City“ nicht funktionieren werde, da sie an einer stadteinwärts führenden Straße liege. Das Argument war, dass die Leute in der Früh von außerhalb in die Stadt fahren, um zu arbeiten. Und wenn sie abends heimfuhren, käme keiner an der „Lugner City“ vorbei. Mir wurde empfohlen aus der „Lugner City“ ein Fachmarktzentrum zu machen.
Und da ich in dieser Branche gänzlich unerfahren war, habe ich Mietvertragsvorlagen von einigen Einkaufszentren gekauft. Mit meinen Mieter habe ich dann vereinbart, dass sie sich an der Werbung beteiligen sollten. Immerhin lebt das Geschäft ja vom Erfolg des Standortes. Heute ist die „Lugner City“ das bekannteste Einkaufszentrum Österreichs. Den Titel verteidige ich seit 25 Jahren. Einmal hat die SCS (Anm., großes Einkaufszentrum südlich von Wien) mir den Rang abgelaufen. Und gerade deshalb ist es so wichtig, dass ich auch etwas als Person mache. Immerhin trägt die „Lugner City“ meinen Namen. Meine Söhne haben damals noch gesagt, dass, wenn die „Lugner City“ scheitere, die Baufirma darunter leiden werde. Ich habe mich für den Namen „Lugner City“ in weißer Schrift auf rotem Hintergrund entschieden und Recht behalten.
Muamer Bećirović
Stimmt, da haben Sie Recht gehabt. Was mich aber noch interessiert: Was ist denn das wichtigste, das Sie in Ihrem Leben gelernt haben? Ist es der Wille?
Richard Lugner
Zwei Tage nach meiner Matura habe ich zu arbeiten begonnen. Eine 48-Stunden-Woche samt einer bis eineinhalb Überstunden war damals normal.  Ich musste in der Hochbauabteilung die Arbeit dreier machen, die unlängst zuvor entlassen wurden. Da ich ja die entsprechenden Kenntnisse aus der Schule hatte, habe ich diese Tätigkeiten auf der Baustelle alle übernommen – vom Zeichnen bis zum Planen. Ich habe fleißig gearbeitet. Und meinem Vater habe ich vermutlich ein gewisses Unternehmertum zu verdanken.
Muamer Bećirović
Warum sind Sie für die Sonntagsöffnung?
Richard Lugner
Dazu muss ich Ihnen etwas erzählen: Damals durften Geschäfte samstags nur bis 13 Uhr offen haben, wobei die meisten bereits um 12 Uhr schon zumachten. An einem Samstag, an dem nur bis 13 Uhr offen war, hat mich der Chef eines damals sehr großen Bekleidungshaus angerufen und mir erzählt, dass selbst bis Ladenschluss Kunden angestanden seien. Er hat dann gemeint, dass er Angst hätte Kunden zu vergraulen. Da habe ich ein bisschen Angst bekommen. Ich habe anschließend mit meiner Zentrumsleiterin gesprochen und mit ihr ausgemacht, dass wir einmal ordentlich einen Samstag, an dem wir bis 17 Uhr offen haben, bewerben. Ich habe mich gar nicht mehr getraut in die „Lugner City“ zu fahren, so voll wie die den ganzen Tag war. Das können Sie sich nicht vorstellen. Als ich schlussendlich doch dort war, haben mir die Leute gesagt, dass sie es toll finden auch am Samstag genügend Zeit zum Einkaufen zu haben. Sehr viele sind deshalb sogar extra von außerhalb Wiens angereist.
Die Mieter waren zu Beginn skeptisch. Ich habe ihnen versichert, dass ich mich den Konsequenzen im Falle des Scheiterns stellen werde. Bei der darauffolgenden Mieterversammlung wurde mir applaudiert. Das war einer der größten Erfolge der „Lugner City“. Die Medien haben es damals gar nicht geglaubt. Sie haben meine Idee für bloße Werbung abgetan, da sie bereits von mir gewohnt waren, dass ich mich sehr viel in der Öffentlichkeit bewege. Ich habe die Samstagsöffnungszeiten von 17 auf 18 Uhr verlängert. Ein Fünftel des Wochenumsatzes hat der Samstag eingebracht. Verglichen mit den restlichen Wochentagen, ist der Samstag, der mit Abstand lukrativste von allen. Selbst heute ist das noch so. Touristen, die nach Wien kommen, äußern oft Unverständnis für unsere Wochenendöffnungszeiten. In deren Herkunftsländern machen die Geschäfte meist am Wochenende den meisten Umsatz.
Richard Lugner

© Jeff Mangione

Muamer Bećirović
Können Sie nachvollziehen, dass Leute der Ansicht sind, dass am Sonntag nicht gearbeitet werden solle?
Richard Lugner
Ich muss dazu sagen, dass wir bereits versuchsweise vier Sonntage offen hatten und damit erfolgreich waren. Wir waren auch die ersten, die wochentags bis 21 Uhr offen haben. Nun macht uns die „BahnhofCity Wien West“ (Anm., Einkaufszentrum im Wiener Westbahnhof) nach. Früher sperrte der „Billa“ um 19 Uhr zu, jetzt um 20 Uhr – dafür öffnet er später. „Billa“ und „Spar“ sind mit der Gewerkschaft eng verbandelt. Ursprünglich durfte der „Merkur“ in der „Lugner City“ erst ab halb 9 aufsperren, um die Gesamtöffnungszeiten von 72 Stunden wöchentlich nicht zu überschreiten. Jetzt haben die mit der Gewerkschaft einen Deal ausgehandelt, der es ihnen gestattet nun 80 Stunden die Woche offen zu haben. Immer mehr wollen länger offen haben, weil die Leute eben auch nach 18 Uhr einkaufen wollen. In der „Lugner City“ geht es erst am Abend richtig los, weil die Menschen erst da Zeit haben. Und da sie wissen, dass sie bis 21 Uhr Zeit zum Einkaufen haben, besteht kein Druck für sie. Alle anderen am Markt stehen massiv unter Druck.
Außerdem verliert der Einzelhandel stark gegenüber dem Online-Handel. Diese Entwicklung könnte man zum Beispiel mit der Sonntagsöffnung abfangen. Sonntags haben Familien Zeit gemeinsam einkaufen zu gehen. Viele wollen am Sonntag einkaufen, da das Einkaufen im Prinzip auch Freizeitgestaltung ist. Einkaufen ist nicht nur Bedarfsdeckung allein. Das ist ein Grund, warum ich dafür bin.
Zudem würde man tausende Arbeitsplätze schaffen. Etliche Studien legen das nahe. Die Umsätze würden steigen, damit verbunden auch das Steueraufkommen. Die Angestellten bekämen aufgrund der Zulagen das Doppelte des gewöhnlichen Gehaltes.
Ich habe unter anderem gute Kontakte zu einem Shoppingcenterverband in Deutschland. Die haben schon an zehn Sonntagen offen und versuchen gerade dies auf alle Sonntage auszuweiten. In Berlin dürfen Geschäfte an zehn Sonntagen sowie von Montag bis Samstag 24 Stunden am Tag offen haben. Die dortige Gewerkschaft besteht darauf, dass neben den Verkäufern auch die Arbeiter im Lager eingesetzt werden müssen – selbst wenn gar nichts angeliefert wird. Damit soll sichergestellt werden, dass auch die einfachen Arbeiter in den Genuss des Sonntagszuschlages kommen können. Bei uns hingegen müssen wir schon um 18 Uhr die Rollbalken herunterlassen und die Leute hinausschmeißen – selbst wenn sie noch länger einkaufen wollen.