Kopf um Krone ist ein ehrenamtliches Projekt, das sich ausschließlich durch Spenden unserer treuen LeserInnen finanziert.
Gespräch N° 7 | Kabinett

Manfred Juraczka

„Wir sind das letzte Bollwerk gegen die Linken in diesem Land“

Der Landesparteiobmann der ÖVP Wien, Manfred Juraczka, wurde als der wohl größte Kritiker der rot-grünen Stadtregierung in der Bundeshauptstadt bekannt. Der politische „Polterer“, der sich selbst mit Franz Joseph Strauß vergleicht, sprach mit uns über das „Schnösel-Image“ der ÖVP, Überschneidungen mit der FPÖ und die Wohnung von Peter Pilz.

Hinweis: Dieses Gespräch wurde zum angegebenen Datum ursprünglich auf muamerbecirovic.com veröffentlicht und auf Kopf um Krone übernommen.
Dieses Gespräch führte Muamer Bećirović und erschien am 15. September 2015, fotografiert hat Raphael Moser.
Muamer Bećirović
Herr Juraczka, Sie haben sechs Jahre lang als Marketing & Sales Manager für Alcatel gearbeitet. Wieso in aller Welt gingen Sie in die Politik? Sie haben bei Alcatel doch weitaus mehr verdient und hatten wahrscheinlich weniger um die Ohren. Für mich kommen da nur drei Gründe in Frage: Entweder man hat Sie dazu aufgefordert, den Job zu machen, oder es hat sich niemand anderes für den Job gefunden; oder Sie sind schlichtweg Opportunist.
Manfred Juraczka
Politik hat durchaus Parallelen zum Fußball. Jeder, der nicht mitspielt, glaubt zu wissen, wie es besser geht. Im Jahr 2011 hatte ich durch Freunde die Möglichkeit, in die Politik einzusteigen. Die Entscheidung habe ich mir natürlich nicht leicht gemacht. Nein, ich habe sehr lange darüber nachgedacht. Aber ich war schon immer ein politischer Mensch, und eine solche Chance bekommt man schließlich kein zweites Mal im Leben geboten. Und die Annahme, dass man sich in der Politik wirtschaftlich sanieren kann, ist garantiert falsch. Es ist eine spannende Herausforderung, mitgestalten zu können. Darum habe ich mich schlussendlich dafür entschieden.
Muamer Bećirović
Sie mir nicht beantwortet, worum es Ihnen konkret geht. Sie hatten damals doch sicherlich eine spezifische Zielsetzung, oder etwa nicht? Wollten Sie die ÖVP in Wien reformieren? Oder die Christdemokratie fördern?
Manfred Juraczka
Sie haben schon Recht. Ich bin ein ziemlich leidenschaftlicher ÖVPler, seit ich 1986 in die JVP eingetreten bin. Ich habe seitdem viele Jahre lang mit der ÖVP Wien gearbeitet, gefeiert und auch mitgelitten. Darüber hinaus haben wir seit 2010 eine rot-grüne Stadtregierung, an der ich bekanntermaßen einiges auszusetzen habe. Wir hatten auf Landesebene noch nie eine Regierung, die so weit links stand und steht. Dem etwas entgegenzusetzen ist natürlich eine spannende Aufgabe und gleichzeitig auch mein unmittelbares Ziel.
Muamer Bećirović
Um konkreter zu werden: Sind Sie ein Christdemokrat oder ein Christlich-Sozialer?
Manfred Juraczka
In diesen Plaketten liegt sehr oft eine starke Unschärfe. Ich bin durchaus christlich-sozial im Sinne einer bayerischen CSU. Was den wirtschaftlichen Bereich betrifft, bin ich wahrscheinlich ein klassischer Konservativer. Ich selbst würde mich als wirtschaftsliberal, aber wertekonservativ bezeichnen. Das trifft es wahrscheinlich am besten.
Muamer Bećirović
Ich habe mir die Bezirksobleute der Wiener ÖVP angesehen. Mir fiel mitunter auf, dass fast jeder Ihrer 23 Bezirkschefs älter als 35 ist. Sind Sie nicht enttäuscht, nur Funktionäre der alten Garde um sich zu haben?
Manfred Juraczka

© Raphael Moser

Manfred Juraczka
Die ÖVP ist – wie sich ja bereits auf Bundesebene gezeigt hat – keine Partei der Revolution, sondern viel mehr eine Partei der Evolution. Ja, es stimmt, kaum ein Wähler wird uns vorhalten, dass wir zu viele Junge oder zu viele Frauen im Team haben. Deshalb gilt es, auch diese Bevölkerungsgruppen für die ÖVP Wien zu begeistern und sie in Funktionen zu bringen. Das funktioniert zurzeit auch sehr gut: Im 13. Bezirk beispielsweise stellen wir mit Frau Silke Kobald eine tolle Bezirksvorsteherin. Auch auf Nationalratsebene konnten wir junge Leute wie etwa Andreas Ottenschläger, der unter 40 ist, für unsere Partei begeistern. Darüber hinaus haben wir als ÖVP Wien für die anstehende Gemeinderatswahl 4 JVPler auf wählbaren Mandatsplätzen gelistet. Wenn wir diesen Weg beständig weitergehen, gibt es schon bald die ersten Früchte zu ernten.
Muamer Bećirović
Ist die ÖVP in der jüngsten Vergangenheit nicht sehr stark sozialdemokratisiert worden? Wird sie denn nicht weiterhin sehr stark sozialdemokratisiert? Erst vor kurzem beschloss der Bundesparteitag, dass jeder zweite Listenplatz von einer Frau bekleidet werden muss, eine Quotenregelung also. Das hat doch einen sehr sozialdemokratischen Touch, oder etwa nicht?
Manfred Juraczka
Ich glaube, dieser Eindruck entsteht deshalb, weil die ÖVP auf Bundesebene jahrelang mit der SPÖ in einer Regierung war und ist und hier natürlich auch gemeinsam mit ihrer Koalitionspartei als Bundesregierung wahrgenommen wird. Denken wir an die Steuerreform: Da war es die ÖVP, die es geschafft hat, die Umverteilungsphantasien der SPÖ á la Vermögens- oder Erbschaftssteuern erfolgreich zu verhindern. Stellen Sie sich doch einmal vor, wie eine rot-grüne Bundesregierung ausgesehen hätte! Sie können sich sicher sein, dass wir das letzte Bollwerk gegen die Linken in diesem Land sind.
Muamer Bećirović
Bevor ich zu Ihnen kam, habe ich viele Leute um ihre Meinung zur ÖVP Wien gebeten. Ein Wort fiel da besonders oft: Profillosigkeit. Sie waren gegen die Mariahilferstraße, Sie waren gegen das Parkpickerl. Hat die ÖVP auch eine konkrete Meinung zu einer Thematik oder ist sie viel mehr eine Partei der Ablehnung?
Manfred Juraczka
Wir machen konstruktive Opposition. Wenn wir etwas ablehnen, haben wir auch jederzeit Gegenvorschläge parat. Beim Parkpickerl haben wir beispielsweise die Tatsache kritisiert, dass es am Stadtrand genauso viel kostet wie in der Innenstadt. Prompt haben wir selbstverständlich auch ein eigenes Modell zur Umsetzung vorgelegt. Bei der Mariahilferstraße wollten wir statt der Fußgängerzone mehrere Querungen zwischen Westbahnhof und der 2er-Linie für einen Individualverkehr. Es ist in der – redlichen – Politik nun einmal so, dass Sachen erklärt werden müssen, aber in einer verkürzten Mediengesellschaft nimmt man sich einfach nicht die Zeit, um diese Erklärungen auszuformulieren. Schauen wir uns das brandaktuelle Thema Asyl an: Da gibt es die linken Träumer, die sagen: »Bleiberecht für alle« und dann gibt es noch die rechten Hassprediger, die sagen: »Alle raus«. Wenn wir als ÖVP jetzt sagen, dass allen aus einem Krieg flüchtenden geholfen werden muss, Wirtschaftsflüchtlingen aber das Asyl verwehren, dann handelt es sich hier um einen etwas komplizierteren Zugang zum Thema, den man im Gegensatz zu den anderen genannten Ansätzen nicht in zwei, drei Worten an ein Plakat heften kann.
Muamer Bećirović
Ziehen wir ein Resümee: Das heißt, die ÖVP ist der Weg der Mitte?
Manfred Juraczka
Der Weg der Vernunft, abseits der politischen Extreme.
Muamer Bećirović
Wenn ich mit jungen Menschen spreche, dann werfen sie der ÖVP vor, dass sie sozial sehr kalt ist …
Manfred Juraczka
… gerade haben Sie doch noch gesagt, dass wir sozialdemokratisiert worden sind …
Muamer Bećirović
Wenn die ÖVP jedoch in einer Alleinregierung wäre, dann würde sie definitiv sparen und das vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich. Die Pensionsausgaben miteinbezogen.
Manfred Juraczka
Bei den Pensionsausgaben bekenne ich mich dazu. Ich halte es schlichtweg für unverantwortlich, die Bediensteten der Stadt Wien mit durchschnittlichen 54 Jahren in Frühpension zu schicken. Man muss sicherstellen, dass die Stadt zu einem Arbeitgeber wird, bei dem die Menschen gerne arbeiten und nicht schon mit 54 in Pension gehen wollen. Als übergeordnetes Ziel sollte sich das Sozialsystem irgendwann einmal selbst überflüssig machen, indem wir alle Menschen in Beschäftigung bringen, indem sie es schaffen, durch Leistung Vermögen und Reichtum anzuhäufen. Die Sozialdemokraten bekämpfen den Wohlstand, wir aber bekämpfen die Armut. Ein Sozialsystem sollte Menschen helfen, kurzfristig nicht ins Bodenlose zu fallen. In der Realität aber leben im rot-grünen Wien 60 Prozent aller österreichischen Mindestsicherungsbezieher. Das ist keine Zahl, auf die man stolz sein könnte. Das beweist erneut, dass in einer linken Regierung sehr viel »working poor« vorhanden ist.
Manfred Juraczka

© Raphael Moser

Muamer Bećirović
Kommen wir zum Thema Wohnbau: Würden Sie denn die Gemeindebauten privatisieren?
Manfred Juraczka
Das Thema Wohnbau amüsiert mich in Wien ganz besonders. Die Grünen merken nach 5 Jahren Regierungsverantwortung, dass Wohnen in Wien teuer ist. Ja, viele Menschen haben damit zu kämpfen, dass Wohnen teuer ist. Die Absurdität dahinter ist aber, dass 62 Prozent der Wiener im geförderten Wohnbau leben es trotzdem Menschen gibt, die sich das Wohnen einfach nicht leisten können. Da sorge ich mich natürlich um die soziale Treffsicherheit des Systems. Wenn der Grüne Peter Pilz oder etwa diverse SPÖ-Bezirksvorsteher monatlich bis zu 10.000 Euro verdienen, aber im sozialen Wohnbau sitzen, dann hat das nichts mehr mit sozialer Treffsicherheit zu tun und ist einer Partei, die arme Menschen unterstützen möchte, äußerst unwürdig.
Muamer Bećirović
Wo ist denn das Problem, wenn Peter Pilz im Gemeindebau lebt? Sie vergessen auf den Aspekt der sozialen Durchmischung, die hier stattfindet und dafür verantwortlich ist, dass es in Wien keine Ghettobildung gibt, wie es etwa in Paris der Fall ist. Ein Politiker sollte sich doch dort befinden, wo auch seine Wähler sind.
Manfred Juraczka
Wir haben in der Realität aber sehr hohe Gehaltshürden, um für eine Gemeindewohnung berechtigt zu sein. Momentan muss man jährlich unter 43.000 Euro netto verdienen, um eine solche Wohnung beziehen zu dürfen. Das ist ganz schön viel Geld, aber Herr Pilz bekommt das Doppelte davon. Das ist doch keine soziale Treffsicherheit.
Muamer Bećirović
Und was ist nun mit der sozialen Durchmischung?
Manfred Juraczka
Diese relativ hohe Grenze ist doch zur sozialen Durchmischung da. Was wir aber garantiert nicht brauchen, sind Topverdiener im Gemeindebau.
Muamer Bećirović
Halten Sie denn vom geförderten Wohnbau generell nichts?
Manfred Juraczka
Er hat seine Berechtigung. Aber er sollte seinen Zweck auch erfüllen. Ich hoffe doch, dass nicht 62 Prozent aller Wiener sozial bedürftig sind.
Muamer Bećirović
Ich interpretiere Sie mal. Geförderter Wohnbau für die, die sich’s anderswo nicht leisten können?
Manfred Juraczka
Das der soziale Wohnbau für sozial Schwache da ist, implementiert ja schon der Name. Aber auch der Mittelstand ist teilweise miteingeschlossen, deshalb auch die Einkommensgrenzen. Was mir noch wichtig ist: Wir geben 500 bis 600 Millionen für Wohnbauförderung aus, während es keine Möglichkeit auf geförderte Eigentumswohnungen gibt, die rot-grün abgeschafft hat. Wir wissen, dass sich Jungfamilien Eigentum so gut wie nicht leisten können. Dabei war es in Wien lange Tradition, Wohnbauförderungsgelder auch in geförderte Eigentumswohnungen zu investieren. Seit drei Jahren wird hier eigentlich nichts mehr errichtet. Das ist auf einen ideologischen Fehler dieser linken Regierung zurückzuführen.
Muamer Bećirović
Wohnbaustadtrat Ludwig hält dem entgegen, dass sich die Nachfrage für geförderte Eigentumswohnungen in Grenzen hält.
Manfred Juraczka
Ich bin davon überzeugt, dass wir geförderte Eigentumswohnungen hervorragend anbringen würden, wenn wir sie einmal anbieten. Das ist ein unschlagbares Argument. Das Interesse an Eigentum, den eigenen vier Wänden, ist exorbitant hoch, wie Umfragen zeigen. Wien hat im internationalen Vergleich eine äußerst niedrige Eigentumsquote. Ich war vor kurzem in Mailand, dort hat man fast 70 bis 80 Prozent Eigentum an den eigenen vier Wänden. In Wien beläuft sich dieser Wert auf gerade einmal 20 Prozent.
Muamer Bećirović
Viele haben den Eindruck, dass die SPÖ eine gewisse soziale Sicherheit garantiert. Bei der ÖVP hingegen denkt man automatisch: »Die verscherbeln doch alles, was ihnen in die Quere kommt.«
Manfred Juraczka
Eine Partei, die zulässt, dass in Wien 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung leben, aber gleichzeitig 36 Prozent der österreichischen Arbeitslosen und 63 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher – lebt diese Partei soziale Sicherheit? Dass wir immer mehr im sozialen Netz hängen, ist doch kein Zeichen von sozialer Wärme. Eigentlich ist doch das Gegenteil der Fall.
Muamer Bećirović
Kommen wir wieder zu jener Frage, der Sie zuvor schon einmal ausgewichen sind: Würden Sie den geförderten Wohnbau privatisieren?
Manfred Juraczka
Was die Gemeindewohnungen betrifft, haben wir immer gesagt: Wir verkaufen keine Wohnhausanlagen an irgendjemanden. Was wir aber auch gesagt haben: Wenn Menschen, die im geförderten Wohnbau leben, mehr verdienen, als in den Einkommensgrenzen vorgesehen, und das nach zehn Jahren im Zuge eines Gehaltschecks feststellen, dann kann es sein, dass beispielsweise ein gewisser Herr Pilz dann den marktüblichen Mietzins zahlen muss. Er sagt zwar ständig, er würde eh so gerne, aber man nehme nicht mehr Geld. Diese Gelegenheit sollten wir ihm auf jeden Fall geben. Die Alternative: Eigentum an den eigenen vier Wänden erwerben. Oder in den freien Markt übersiedeln und den Wohnraum den sozial Bedürftigen zu überlassen. Wir haben über 30.000 Vormerkscheine in Wien, es warten über 30.000 Menschen auf eine soziale Wohnung, da brauchen wir Herrn Pilz und Konsorten doch nicht in Schutz nehmen.
Muamer Bećirović
Ich kann es nicht oft genug sagen: Die soziale Durchmischung bleibt in Ihrem Modell doch völlig auf der Strecke. Der Vorwurf von außerhalb ist, dass die meisten Funktionäre der ÖVP Wien im 9. Oder 13. Bezirk wohnen, hausen dort in Ihren Elfenbeintürmen und verlieren gänzlich den Bezug zur Realität des kleinen Mannes.
Manfred Juraczka
Ich war vor kurzem beim Empfang der Neumitglieder, da kamen unglaublich viele junge Menschen aus allen Bezirken Wiens zusammen. Aus dem 2., 11., 10., und aus vielen anderen Bezirken, in denen man die ÖVP gar nicht vermuten würde. Ich lade jeden, der diese Vorurteile hat, ein, bei uns vorbeizuschauen und sich davon zu überzeugen, dass wir nicht nur aus dem 9. Oder 13. Bezirk kommen.
Manfred Juraczka

© Raphael Moser

Muamer Bećirović
Woher kommt dann dieses »Schnösel-Image« der ÖVP?
Manfred Juraczka
Das ist durchaus Teil der politischen Propaganda der Sozialdemokraten. Jetzt wissen Sie auch, wo 100 Millionen Euro jährliches Kampagnen- und Kommunikationsbudget, das die Stadt bekommt, unterschwellig hinfließt.
Muamer Bećirović
Wissen Sie, ich traue Ihnen ja grundsätzlich gute politische Arbeit zu. Ist der mangelnde Erfolg vielleicht darauf zurückzuführen, dass die ÖVP Wien – wie die Vergangenheit gezeigt hat –ihrem jeweiligen Landesparteiobmann sozusagen eine böse Geliebte ist?
Manfred Juraczka
Es ist kein Geheimnis, das der Erfolg in den letzten Jahren etwas nachgelassen hat. Warten wir doch einmal den 11. Oktober ab. Wenn ich ein gutes Ergebnis einfahre, wird mich meine Partei durchaus lieb haben.

Muamer Bećirović
Weil Sie die Wien-Wahl erwähnt haben: Mit welchem Wahlprogramm können Sie mehr anfangen, mit dem der FPÖ oder dem der SPÖ?


Manfred Juraczka
Das hängt massiv davon ab, über welche Bereiche wir diskutieren. Ja, ich sage es deutlich, dass wir beim Thema Verkehr mehr Überschneidungen mit der FPÖ als mit der SPÖ haben. Bei wirtschaftlichen Themen sehe ich mich keiner der genannten Parteien nahe, bei der Europapolitik ist mir die SPÖ durchaus lieber als die FPÖ. Beim Thema Integration habe ich wieder eine größere Distanz zu beiden.

Muamer Bećirović
Bevor es zur nächsten Frage geht: Ich sehe gerade aus dem Augenwinkel, dass ein unterschriebenes Portrait vom deutschen Altkanzler Helmut Kohl im Zimmer hängt. Sind Sie großer Fan von Helmut Kohl?
Manfred Juraczka
Ich durfte ihn einmal kennenlernen. Wir waren als ÖVP – ich war damals noch Bezirksobmann der ÖVP Hernals – in Deutschland unterwegs und haben mit seinen engsten Mitarbeitern gesprochen. Daraufhin habe ich den Wunsch nach einer Widmung Kohls für die ÖVP Hernals geäußert. Einige Tage später ist diese dann auch bei uns reingeflattert. Wir haben uns sehr darüber gefreut.
Muamer Bećirović
Was ist Manfred Juraczka eigentlich für ein Mensch? Ist er ein Netzwerker wie Helmut Kohl?
Manfred Juraczka
Er ist ein Polterer. Wie Franz Joseph Strauß. Was mir an den genannten Politikern gefällt, ist, dass sie eine klare Vision haben. Helmut Kohl hat viel früher als alle anderen begriffen, dass das Zeitfenster für die deutsche Einheit offen ist und hat seine Meinung gegen alle Widerstände erfolgreich durchgesetzt. Vor dieser Lebensleistung habe ich größten Respekt. Überzeugungen, für die man einsteht, zu erkennen, wann die richtige Zeit für eine Entscheidung offen ist, und diese allem Gegenwind zum Trotz durchzusetzen, das ist beeindruckend.
Muamer Bećirović
… auch dann, wenn es einem effektiv schadet?
Manfred Juraczka
Politiker denken oft nur bis zur nächsten Wahl, Staatsmänner hingegen darüber hinaus.
Muamer Bećirović
Kommen wir zurück zu den JVPlern, die Sie für die Wien-Wahl auf wählbare Plätze gesetzt haben. Das mag zwar stimmen, aber ist die Mitgestaltungsmöglichkeit – vor allem die innerparteiliche – für junge Menschen nicht immer noch sehr beschränkt?
Manfred Juraczka
Bei allen wesentlichen Entscheidungen rede ich mit der Jungen ÖVP und ich hoffe, dass das auch in allen Bezirken so wahrgenommen wird. Wir haben nämlich in allen Wiener Bezirken Jugendliche, die an vorderster Front in den Wahlkampf miteinbezogen werden. Das hängt aber sehr stark davon ab, inwieweit man sich selbst durchsetzen kann und Gehör verschaffen will.
Muamer Bećirović
Das heißt, wenn die Jungen den Älteren nur ordentlich auf den Schlips treten, ist alles möglich?
Manfred Juraczka
Ja, grundsätzlich schon. Wann soll man denn so richtig goschert sein, wenn nicht in der Jungen ÖVP?
Für Manfred Juraczka (46) begann die politische Karriere bereits als Schüler in der Jungen Volkspartei (JVP). Nach dem Studium der Publizistik sowie der Politikwissenschaften war der gebürtige Wiener in der PR-Branche tätig, bevor er Anfang 2012 zum ÖVP-Landesparteiobmann gewählt wurde.